Wie reagieren Sie in Ihren Portfolios auf die aktuelle Lage?
Podzuweit: Die ersten zwei Wochen hat unser Algorithmus noch nicht die Aktiengewichtungen reduziert. Da hieß es abwarten, weil empirisch betrachtet viele Korrekturen von zehn bis 15 Prozent sich meist auch wieder schnell erholen. Das ist diesmal aber nicht eingetreten. Die Risikolevels bleiben jetzt hoch, die Volatilitätsindizes wie der VDax und der VIX in den USA stehen schon seit Tagen über 70. Natürlich ist das Gebot der Stunde jetzt, Aktienquoten signifikant runterzufahren. Da haben wir in den Portfolios schon ein Drittel abgebaut und werden wahrscheinlich auch noch mehr abbauen. Und wir gehen dann wieder in den Markt, wenn das Risiko wieder fällt.
Gibt es auch Kunden, die jetzt kündigen?
Podzuweit: Ja. Wenn Kunden kündigen, dann aus zweierlei Gründen: Manche haben einfach Bedenken, weil die Kurse so stark fallen. Manche sagen aber auch: Ich würde im Grunde gern nachinvestieren, aber ich brauche das Geld im Moment. Wenn Sie ein Hotel haben, wenn Sie Berater sind, wenn Sie Events ausrichten – dann brauchen Sie in Situationen wie jetzt womöglich Liquidität. Typischerweise ist ja die Empfehlung, nur Geld am Kapitalmarkt anzulegen, das man mittelfristig nicht braucht. Aber in Extremsituationen müssen manche einfach an ihr Geld ran. Die Verkäufe erfolgen also nicht aufgrund einer bestimmten Anlagestrategie, sondern es kommt mittlerweile auch zum sogenannten Forced Selling (Zwangsverkauf; Anm. d. Red). Das verstärkt den Verkaufsdruck im Markt. Das haben wir bei Lehman auch gesehen und das ist eine gefährliche Spirale.
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Auch wenn die Dynamik des Crashs im Moment heftiger ausfällt als bei Lehman: Ganz nüchtern betrachtet hat die Historie gezeigt, dass sich besonders in stark fallenden Märkten der Einstieg mit einem monatlichen ETF-Sparplan lohnen kann. Was meinen Sie?
Podzuweit: Absolut. Ein Sparplan, der den Einsatz über eine bestimmte Zeit lang streckt, ist immer eine gute Idee – vor allem jetzt! Wer im Januar beispielweise damit geliebäugelt hat, mit einem ETF-Sparplan in den Kapitalmarkt einzusteigen, für den ist es jetzt um 30 Prozent günstiger geworden. Natürlich kann der Markt immer noch weiter fallen, aber dann bekommt er auch mehr Anteile für seine Sparrate, was sich in der nächsten Aufwärtsbewegung auszahlt. Bei größeren Einmalsummen ist das Risiko derzeit schon höher, weil keiner weiß, wie weit es noch nach unten geht.
Mit welchem Szenario rechnen Sie?
Podzuweit: Es gibt grundsätzlich zwei Szenarien: Wenn wir jetzt eine positive News bekommen, eine unerwartet positive News, zum Beispiel dass die Zahl der Neuinfektionen in Europa und den USA geringer steigt als erwartet oder das Virus sich bei steigenden Temperaturen abschwächt oder ein Impfstoff gefunden wird – wenn solche News plötzlich auftauchen, dann könnten wir eine sehr schnelle und drastische Erholung am Kapitalmarkt erleben.